„Mein Gefühl lag richtig. Ich spürte bei beiden Schwangerschaften, dass etwas nicht stimmt, und verstand nicht, warum es mir passiert.“
Meine Schwester Nadine hat sich bereit erklärt über ihre Sternenkinder zu sprechen. Als ich Nadine auf dieses Interview ansprach, und sie fragte, ob sie Interesse hätte, über ihr trauriges Schicksal zu sprechen, war sie sofort Feuer und Flamme. Sie möchte genauso wie ich, dass das Thema Sternenkinder kein Tabu-Thema ist und bleibt. Nadine spricht über ihren Schmerz, ihre Trauer und den Umgang mit sich selbst und ihrem Schicksal.
Interview vom 31.05.23 mit Christine und Nadine
Christine: „Vielen Dank dass du dich bereit erklärt hast, dieses Interview mit mir zu machen. Ich denke mir, dass es nicht einfach ist, darüber zu sprechen –umso mehr hast du meinen größten Respekt. Meine erste Frage ist: Wie ging es dir in beiden Schwangerschaften?“
Nadine: „Als ich den positiven Test in der Hand hielt habe ich vor Freude geweint. Wir haben länger versucht schwanger zu werden und nun war es soweit. Ich hatte in beiden Schwangerschaften leider das Gefühl, dass etwas nicht in Ordnung ist. Dieses Gefühl ist für mich schwierig zu beschreiben. Es war eher ein Instinkt. Ich fühlte mich leer und nicht schwanger. Ich rief bei meinem Frauenarzt an und bekam innerhalb von 14 Tagen einen Termin. Dieser kam leider nicht zustande.“
Christine: „Warum kam dieser Termin nicht zustande?“
Nadine: „Nicht lange nach meinem positiven Test bekam ich braune Schmierblutungen. Ich fuhr ins Krankenhaus und dort hieß es, dass alles normal sei. Nur 2 Tage später hatte ich eine starke Blutung mit frischem Blut. Ich fuhr erneut ins Krankenhaus und dort wurde mir gesagt, dass es keine intakte Schwangerschaft mehr gäbe. Mir wurde gesagt, ich müsse es ausbluten lassen. 3 Tage später fand ich den Abort in der Toilette. Dieses Gefühl zu beschreiben ist unmöglich.“
Christine: „Es tut mir unendlich leid. Kannst du mir deine ersten Gedanken nach deinem Abgang sagen?“
Nadine: „Ich fühlte mich mehr als schlecht. Für mich war das alles nicht real und ich spürte nur Angst, Angst davor, nie schwanger werden zu können. Die Trauer konnte ich nicht zulassen. Ich habe den Schmerz unterdrückt und einfach weiter gemacht.“
Christine: „Du wurdest im Juni 2022 erneut schwanger. Wie ging es dir damit?“
Nadine: „Dieses Gefühl, dass etwas erneut nicht stimmt, hatte ich wieder ein paar Tage später nach erneutem positiven Test. Ich fuhr diesmal direkt ins Krankenhaus und auch hier bestätigte sich leider, dass ich zwar eine Fruchthöhle habe, diese aber leer ist. Ich sollte mir laut Ärztin nicht das Schlimmste ausmalen und noch abwarten. Am 08.08.22 hatte ich 2 Wochen eine heftige Blutung. Diese ging 2 Wochen lang, allerdings stieg der HCG-Wert weiter an. Am 23.08.22 musste ich mich einer Ausschabung unterziehen. Mir gingen nur Gedanken im Kopf herum: Warum ich? Was habe ich getan? Es gibt Menschen die haben viele Kinder und sind nicht gut zu Ihnen, warum dürfen die weitere bekommen?
Christine: „Es muss schrecklich sein kurz aufeinander zwei Fehlgeburten zu erleiden. Wie gingt Ihr als Paar damit um? Wie haben euch die Ärzte unterstützt?“
Nadine: „Mir war klar, dass ich niemals mehr schwanger werden möchte. Wir als Paar haben nie über diese Erlebnisse gesprochen –bis heute nicht. Jeder hat es auf seine Art verarbeitet. Ich wurde egoistisch und kümmerte mich nur um mich, ging zur Arbeit und verbrachte viel Zeit im Fitnessstudio. Mir war es nicht wichtig, wie sich mein Partner fühlt, und er hat mich nur noch genervt. Ich verzichtete auf Intimität mit meinem Partner aus Angst erneut schwanger zu werden. Wir standen auch kurz davor uns zu trennen. Die Frauenärztin ist null auf meine Fragen eingegangen. Sie sagte mir sogar, ich solle mich nicht so anstellen. Es würde vielen Frauen so ergehen.“
Christine: „Leider habe ich schon öfter gehört, dass einige Ärzte wenig empathisch reagieren, und es für sie leider keine große Sache ist. Wie habt Ihr es als Paar aus dieser Krise geschafft?“
Nadine: „Ich wurde erneut schwanger und hatte dieses am 19.04.23 durch einen Test festgestellt. Als ich meinen Partner anrief und Ihm dies mitteilte, weinte ich und konnte es nicht glauben. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt immer noch kaum bis gar keine Intimität, und verstanden uns immer noch nicht gut. Diese Schwangerschaft allerdings veränderte uns und schweißte uns umso stärker wieder zusammen.“
Christine: „Ein Wunder. Wie geht es dir heute mit deiner Schwangerschaft?“
Nadine: „Gut! Sehr gut sogar! Ich hatte von Anfang an ein ganz anderes Gefühl als bei meinen Fehlgeburten. Nach 2 Wochen bin ich dann zum Frauenarzt-Termin und durfte einen Herzschlag sehen die Schwangerschaft war endlich intakt. Ich zitterte am ganzen Körper und weinte. Endlich war dort Leben, wo vorher nur Trauer und Schmerz war.“
Christine: „Es freut mich unendlich das zu hören. Emotional war es in der letzten Zeit eine Berg-und Talfahrt. Wie geht es dir heute emotional?“
Nadine: „Es geht mir gut. Beim ersten Ultraschallbild von meinem Regenbogenkind dachte ich an meine Sternenkinder, und sah sie nun alle drei in diesem Bild, weil es aussah wie ein Engel.“
Christine: „Was würdest du anderen Paaren, Müttern oder Vätern in so einer Situation raten?“
Nadine: „Zeigt eure wahren Gefühle. Versteckt sie nicht. Dies hat uns nicht nur als Paar entfremdet, sondern hat uns innerlich gefühlstot gemacht. Kämpft für euren Traum Eltern zu sein. Es gibt immer wieder positive Zeichen und Wunder. Lasst das Thema Sternenkind kein Tabu-Thema mehr sein und sprecht darüber. Sucht euch Gleichgesinnte in verschieden Foren oder in Gruppen.“
Christine: „Danke für dieses wunderbare Interview. Freude und Leid können so nahe beieinander liegen. Ich wünsche dir alles Liebe und Gute und freue mich dieses Jahr darauf, Tante zu werden.“
Beitrag von Christine Schmidt
Ein Gedanke zu „Das Schicksal traf mich gleich doppelt. Mein Leben mit 2 Sternenkindern.“